Die Liebenden von Axos

Der Faden der Nornen Blitze und Liebende Liebe ohne Alter
Dimensionen des Mythos

Der Faden der Nornen
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Von Laetitia Mikles (POSITIF) 3 November 2007

Während der ersten Hälfte des Films habe ich fast nur gelächelt. Aber dann hatte ich Tränen in den Augen. Es ist ein sehr schöner Film. Die zwei Liebenden sind sehr schön. Der Mann hat Klasse und Kraft, die Frau ist sanft und elegant. Man bewundert die Kunst des Regisseurs, die Schönheit im Alltäglichen und im Vergehen der Zeit einzufangen. Das Verhältnis von Mann und Frau wird in seiner ganzen Zärtlichkeit und Fragilität geschildert. Aber das, was wirklich aufregend ist, ist das Weben, der Faden, der Beruf der Weberin. Ein wesentliches Element des Films. Der Faden: zuerst ein sinnliches, affektives Band zwischen den Liebenden; dann auch Faden der Erzählung, die sich entspinnt; und schließlich der Faden des Lebens, eines langen, stabilen Lebens, das aber auch reißen oder brechen kann. Der Faden der Nornen. Ich mag sehr die Off-Stimme des Regisseurs, welcher, im fernen winterlichen Berlin weilend, vom Denken an die zwei alten Liebenden erwärmt wird. Sehr schön auch die Szenen der Ankunft der Touristen oder des Besuchs der Wahlkandidaten. Die geben uns eine Idee vom Leben in der griechischen Provinz: ein isoliertes Dorf, das in einer sehr organisierten, pervertierten Art und Weise "besucht" wird. Die Szenen mit dem jeweiligen Einfall der Touristen haben dazu etwas Erbarmungsloses, weil sie den Zuschauer mahnen. Sie warnen ihn: "Wenn du dir nicht die Zeit nimmst, hinzuschauen, die Leute wirklich kennen zu lernen, wirst du an ähnlichen wunderbaren Liebesgeschichten vorbeigehen, ohne sie zu bemerken." Aber dank der Kameraführung, der Geduld, der Empfindsamkeit, dem ehrlichen Interesse des Regisseurs an den Menschen, bekommen wir die Chance, Zeuge dieser Liebesgeschichte zu werden, und so dürfen wir mit den beiden Liebenden im letzten Kapitel ihres Lebens lächeln und weinen.

Blitze und Liebende
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von Lefteris Adamidis INDEPENDENCE DAYS 8 März 2008

Mit den Liebenden von Axos, die auf dem 10. Dokumentarfilmfestival Thessaloniki laufen werden, hat der Regisseur Nicos Ligouris inzwischen fast so etwas wie sein eigenes Filmgenre geschaffen. Vorangegangen und mit dem ersten Preis ausgezeichnet war im Jahr 2004 - auf dem gleichen Festival - sein Film Sommerblitze. Ligouris lebt zwar in Deutschland, weilt aber mit Kopf und Herz offenbar auch in Griechenland, genauer auf Kreta, dem Schauplatz seiner beiden Dokumentarfilme. Manche von uns erinnern sich gewiss noch an seine „strengen“ theoretischen Texte in der Zeitschrift „Synchronos Kinimatographos“ oder an seinen (dritten) Spielfilm Herz aus Stein, der Mitte der neunziger Jahre beim Athener Festival Premierennächte lief und einen Blick voller Zärtlichkeit auf die Beziehung eines Straßenjungen zu einer älteren gelähmten Frau warf. Die beiden letzten Dokumentarfilme von Ligouris schlagen jetzt aber ein völlig neues Kapitel auf: sie sind so etwas wie eine Inversion seiner theoretischen Texte, eine Hinwendung zur Einfachheit des Erlebten. Dies wird schon beim jeweiligen Vorspann beider Filme deutlich: schmucklose schwarze Schrift auf weißem Hintergrund. Beide digital gedrehten Filme erfuhren kaum Nachbearbeitung, noch aufwendige Beleuchtung. In den Liebenden von Axos gibt es zudem eine fast bekenntnishafte Voice Over in der Form eines persönlichen Tagebuchs fern jeglicher Falle einer behaupteten Objektivität. Die Schauplätze beider Filme, zwei kretische Dörfer, bilden das wahrhaftigste Bild der heutigen griechischen Provinz, das ich bisher gesehen habe: Hotelzimmer mit schwedischen Möbeln, Cafés mit Plastik- oder Bambus-Stühlen, Aluminium wo man hinschaut, Souvenirläden. In den Sommerblitzen nehmen wir über einen Zeitraum von vier Jahreszeiten am Leben eines Pensionswirtes teil, welcher sich in seiner Freizeit mittels eines Fotoapparates auf die Jagd nach Sommerblitzen begibt (ein seltenes, aber erklärliches Phänomen bei fernen, unsichtbaren Gewittern). In den Liebenden von Axos verdichtet Ligouris das lange Leben eines sich immer noch liebenden Paares - Jorgos und Maria sind beide siebzig - auf das ablaufende Ritual eines einzigen Tages. Sowohl die Sommerblitze als auch die Liebenden von Axos sind zwei in ihrer Einfachheit bezwingende Visionen einer unsichtbaren, faszinierenden Welt, die uns zwar umgibt, sich aber in scheinbar anderer Geschwindigkeit als die unsrige dreht. Es ist eine Welt, deren Wesen sich unter den Schichten des Alltäglichen verbirgt. Es ist schwer, diese Welt wahrzunehmen, geschweige denn sie zu erleben, sie bedarf der Geduld des Wartenkönnens. Ähnlich der Geduld, welche Maria braucht, um die Kettfäden über ihren Webstuhl zu spannen, ähnlich des Ausharrens auf die Erscheinung der Sommerblitze oder eines Grünen Leuchtens über der Sonnendämmerung.

Liebe ohne Alter
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von Maria Katsounaki KATHIMERINI 13 März 2008

Die Liebenden von Axos berichten von einer gerade in ihrer Einfachheit romanesken Liebe zweier älterer Menschen. Die Liebe der 69jährigen Maria und des 73jährigen Jorgos hoch oben im Bergdorf Axos scheint ewig und unerschütterlich. Auch wenn Tourismus und EU-Subventionen alles um sie herum verändert haben, schlafen die beiden immer noch eng umschlungen, sei es aus Angst oder aus Not, denn, sollte dem einen nachts etwas zustoßen, wird der andere es bemerken. Ihre stille, ruhige Liebe, wird nämlich inzwischen vom drohenden Tod überschattet: Jorgos kann in jeder Minute sterben. Jorgos, immer noch gut aussehend, betrachtet Maria, die an ihrem Webstuhl arbeitet, er hält sie für das Schönste auf der Welt. Zur Kamera sagt er: „Wir haben uns wie zwei Kinder geliebt“. Und wenn Nicos Ligouris ihn fragt, was er spürt, wenn er Maria betrachtet, ob er sie noch immer schön findet, antwortet er: „Unverändert schön. So wie sie mir damals, in einem Gemüsegarten, erschien, 14 Jahre alt, in einem roten Kleidchen. Die Liebe von damals ist nicht vergangen. Und sie wird nicht vergehen.“ Arztbesuche, Ängste, Sorgen begleiten den Alltag des Paares. Ein Alltag, gekennzeichnet von einer romantischen, sich lyrisch gebärdenden und zugleich liebenswürdig pragmatisch gelebten Beziehung. Nicos Ligouris komponiert eine leise Hymne auf das menschliche Zusammensein, auf Zärtlichkeit, Güte und auf eine Kommunikation, die sich mit dem Alter derart konsolidiert und „harmonisiert“ hat, dass jeglicher Vampirismus und Besitzdenken in weite Ferne rückt und das tägliche Einerlei zu einem Grundakkord eines reichen Lebens werden lässt. Sein Film besitzt die Sensibilität des aufmerksamen Beobachters und den Drive des beflügelten Erzählers.

Dimensionen des Mythos
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von Ilias Maglinis KATHIMERINI 27. Juni 2008

(...) abschließend ein Wort über den Film „Die Liebenden von Axos“ von Nicos Ligouris, den ich im Rahmen des ECOFILMS FESTIVALS auf Rhodos gesehen habe. Er zeigt, wie das Einfache, das Alltägliche mythische Dimensionen annehmen kann: Ein Tag aus dem Leben eines auf Kreta lebenden älteren Paares, welches auch noch nach vielen Jahren des Zusammenlebens durch die Kraft einer einmaligen, wahrhaftigen Liebe verbunden ist. Das ist meisterhaft, ohne jegliche Spur von Sentimentalität oder Melodramatik gefilmt. Obwohl extrem subjektiv, hat mich Ligouris’ Blick auf das Paar dermaßen berührt, dass er zu meinem eigenen geworden ist. Eine ganz große Leistung.